Diese Beklemmung in der Brust, die mir die Luft abgeschnürt und mir das Gefühl gegeben hat, nicht mehr atmen zu können. Dieses extreme Herzrasen, durch dass ich das Gefühl hatte, mir springt gleich das Herz aus der Brust. Das Ohnmachtsgefühl, weil ich keine Kontrolle mehr über meinen Körper gespürt habe.
Das alles war jahrelang mein Alltag. Ich litt unter Panikattacken und meistens brachen diese bei mir aus, wenn ich mich in warmen Räumen oder in Menschenmassen befand oder Situationen ausgeliefert war, die mich emotional überforderten. Und trotzdem entschied ich mich dazu, Ende 2016 allein auf Weltreise zu gehen. Ich hatte einfach das Gefühl, mich auf die Suche nach dem „MEHR“ im Leben machen zu müssen. Dabei vergaß ich sogar meine Angst, zumindest zeitweise. In der Vorbereitungszeit kamen immer wieder Schübe, in denen ich vor Panik fast durchgedreht wäre. Meine englischen Sprachkenntnisse reichten nicht aus, um tiefgründige Konversationen zu führen und auch meine Spanischkenntnisse konnte man an einer Hand abzählen. Außerdem warteten auf Weltreise viele ungewohnte Situationen auf mich. Das waren genau solche Situationen, die bei mir immer wieder diese Angstzustände auslösten. Aber ich fühlte mich einfach getrieben von der Sehnsucht die Welt zu entdecken und blendete in dieser Zeit die Vernunft aus. Als ich am Flughafen stand, auf dem Weg in mein Abenteuer, wartete schon die erste Herausforderung auf mich. Die Schlange am Check-In war lang, ich musste über eine Stunde anstehen, bis ich mein Ticket in den Händen halten konnte. Ich stand im warmen Flughafengebäude, um mich herum Menschenmassen und ein hoher Geräuschpegel. Egal wie sehr ich auch versuchte, mich selbst zu beruhigen und abzulenken, es half nichts. Ich spürte wie mir langsam heiß wurde, mein Herz begann zu rasen und meine Füße zitterten. Es wäre in diesem Moment der einfachste Weg gewesen zu sagen: „Ich kann das nicht.“ Denn sind wir mal ehrlich: Wenn ich in so einer Situation schon überfordert war und sie mich nahe an eine Panikattacke brachte, wie sollte ich dann eine Weltreise allein überstehen?
Aber mein Wille war stärker als meine Angst. Auch wenn ich immer wieder das Gefühl hatte, jeden Moment umzukippen, ich meisterte die Herausforderung und saß irgendwann im Flugzeug Richtung Singapur. Die Anfangszeit auf Weltreise war schlimm für mich. Ich hatte stark mit meinen Ängsten und meinem eigenen Selbstwertgefühl zu kämpfen. Meistens traute ich mich nicht einmal, mit anderen Reisenden ins Gespräch zu kommen aus Angst, ich könnte aufgrund meiner geringen Sprachkenntnisse ausgelacht oder ausgegrenzt werden. Natürlich hatte ich in der Schule Englisch gelernt, aber die Schulzeit war zu diesem Zeitpunkt über zehn Jahre her und die Sprachkenntnisse reichten einfach nicht aus, um ernsthafte Konversationen zu führen. Aus Angst etwas falsch zu machen, blieben die anfänglichen Konversationen bei Sätzen wie: „Wo kommst du her? Wo gehst du hin?“ Das waren diese typischen Backpackerfragen, die man sich eben so stellte. Mir fehlten aber mit der Zeit Gespräche, die tiefer gingen. Aus Angst, sprachlich etwas falsch zu machen, sagte ich einfach gar nichts. Am Anfang ging das noch okay. Ich war eben der „Mitläufer“, diejenige, die dabei war, aber trotzdem nicht wirklich zur Gruppe dazugehörte. Aber auf Weltreise allein kannst du dich nicht in einem Mauseloch verkriechen. Jeden Tag kommen Situationen auf dich zu, die dich zu einer Handlung zwingen.
Ich kämpfte Tag für Tag mit mir und meinen Selbstzweifeln. Aber das war es wert, denn ich kämpfte für meinen Traum. Mit der Zeit wurde mir immer mehr bewusst, dass viel mehr in mir steckte, als ich mir selbst zutraute. Meine Sprachkenntnisse von der Schule waren noch da, sie waren einfach nur etwas eingerostet. Und sobald ich mich traute, wieder mehr Englisch zu sprechen, ohne dass ich mir zu viel Gedanken machte, lief es. Natürlich konnte ich tiefgründigere Gespräche in dieser Fremdsprache führen, natürlich konnte ich telefonisch ein Hostel buchen oder Abklärungen tätigen. Mir wurde bewusst, dass man Sprachen nur lernt, wenn man sie spricht und es in der Freizeit überhaupt keine Rolle spielt, ob der Satzbau perfekt ist. Die Menschen verstehen was du sagen willst, wenn du offen auf sie zugehst. Das motivierte mich auch meine spanischen Grundlagen nochmals aufzufrischen. Seit ich denken kann liebe ich diese Sprache. Grundkenntnisse habe ich mir schon vor Jahren selbst beigebracht. Es war kein Problem für mich, mich auf Spanisch vorzustellen und auch Gegenfragen zu stellen. Es reichte also aus für eine normale erste Kontaktaufnahme und die Bestellung von einer Kugel Eis. Vor meiner Reise in Lateinamerika entschied ich mich aber dafür, in Sevilla einen zweiwöchigen Sprachkurs zu besuchen. Es war mir nicht mehr genug, einfach nur ein bisschen was zu können und mich irgendwie durchzuschlagen. Ich wollte alles aus eigener Kraft schaffen und auf niemanden angewiesen sein. Um meine Kenntnisse aufzubessern besuchte ich einen Grundkurs.
Die ersten Stunden waren für mich nur Wiederholung und ich merkte schnell, dass mir zwei Wochen Sprachkurs nicht reichen würden, um auf ein neues sprachliches Level zu kommen. Und so begann ich ab diesem Zeitpunkt jeden Satz, den ich auf Reisen in Englisch brauchte, im Kopf auf Spanisch zu übersetzen. Wenn es nicht gelang, googelte ich es am Abend. Natürlich hielt ich das nicht ewig durch, aber es half mir, die wichtigsten Sätze zu lernen. Andere zu verstehen war dabei schon um einiges schwieriger. Es gab oft Situationen, in denen ich in einer Gruppe saß und die Konversation nicht verstand. Aber statt mich zu verkriechen und das stillschweigend zu akzeptieren, bat ich einfach um Übersetzung. Es gab immer jemanden in der Gruppe, mit dem ich mich auf Englisch unterhalten konnte.
Eine Herausforderung nach der anderen meisterte ich und irgendwann wuchs ich an meinen Aufgaben. Die Ängste waren nach wie vor da, aber sie motivierten mich, statt mich an etwas zu hindern. Ich ging an meine Grenzen und darüber hinaus. Trotz Höhenangst raste ich beim Ziplining über die Baumkronen von Nicaragua. Dieses Erlebnis ist bis heute eines meiner absoluten Highlights auf meiner Weltreise. In Neuseeland wanderte ich trotz meiner körperlichen Schwäche, die ich mir scheinbar selbst einredete, 20 Kilometer an einem Tag in einem aktiven Vulkangebiet. Ich fuhr in Mexiko einen Vulkan mit dem Surfbrett hinunter und reiste allein nach Medellin, die früher als gefährlichste Stadt der Welt galt. Mit der Zeit und ohne, dass ich es bewusst wahrnahm, wuchs mein Selbstbewusstsein. Ich hatte keine Angst mehr davor, eine Sprache zu sprechen, die ich nicht in Perfektion beherrschte und dadurch wurde ich von Tag zu Tag sicherer. Nach 13 Monaten auf Weltreise kam ich als anderer Mensch nach Deutschland zurück. Ich bin immer noch die Daniela, die Ende 2016 verängstigt und unsicher allein auf Reisen ging, aber mittlerweile traue ich mich mein Leben in die Hand zu nehmen und lasse mich nicht mehr von meinen Ängsten leiten. Seit drei Monaten bin ich selbständig und lebe nun jeden Tag meinen Traum. Die Panikattacken sind noch da, aber sie bestimmen nicht mehr mein Leben. Aktuell bin ich gerade wieder dabei, einen Online-Sprachkurs zu machen, um für meine nächste Reise nach Lateinamerika noch besser vorbereitet zu sein. Die Weltreise war die beste Entscheidung meines Lebens, denn ich bin einmal um die Welt gereist und bei mir selbst angekommen.
Autorin: Daniela Seiberle
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Das Buch zur Weltreise: